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Sterbehilfe-Debatte

Scherf über Sterbehilfe-Debatte um EKD-Ratsvorsitzenden Schneider

EKHNUlrike Scherf

Nikolaus Schneider, der sich als Gegner der Sterbehilfe öffentlich profiliert hat, würde nun seine ernsthaft erkrankte Frau dabei unterstützen, wenn sie das wünscht. Die Stellvertreterin des Kirchenpräsidenten Ulrike Scherf hat Hochachtung vor ihm.

Ulrike Scherf ist seit 2013 die Stellvertreterin des Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Sie ist Mitglied im Beirat des Hospizes Bergstraße und hat sich in ihrer Zeit als Dekanin an der Bergstraße stark im Thema Sterbebegleitung engagiert.

Die evangelische Kirche spricht sich explizit gegen die Sterbehilfe aus. Kann Sterbehilfe in Ausnahmefällen toleriert werden?

Ulrike Scherf: Wichtig ist beim Thema Sterbehilfe zu klären, von was wir überhaupt reden. Die passive Sterbehilfe beispielsweise mit der Begrenzung der Behandlung wirft für mich kaum ethische Fragen auf, sofern das vorher zwischen Patienten, Angehörigen und Ärzten geklärt wurde. Hier gibt es von der evangelischen Kirche überhaupt keinen Widerspruch. Im Gegenteil: Wir unterstützen Menschen, die das mit einer Patientenverfügung klären wollen. Völlig anders sieht das bei der aktiven Sterbehilfe aus, bei der etwa Medikamente durch Ärzte verabreicht werden, um den Tod eines schwerkranken Menschen herbeizuführen. Das ist derzeit verstärkt in der Debatte. Das lehnen wir ab. Grundsätzlich gilt: Uns als evangelische Kirche ist es wichtig, Menschen auch im Sterben menschenwürdig zu begleiten. Deshalb unterstützen wir die Hospizarbeit und eine gute palliative, schmerzlindernde Medizin. Darauf muss der Focus liegen, Menschen ein menschenwürdiges Leben auch am Ende des Lebens zu ermöglichen. 

In welchen Situationen kann Sterbehilfe toleriert werden?

Scherf: Das ist eine ethisch ausgesprochen schwierige Frage. Aus der Seelsorgepraxis wissen wir, dass es Grenzsituationen gibt, in denen sich Kranke den Tod wünschen. Beispielsweise, wenn sie für sich kein menschenwürdiges Leben mehr sehen und unter unerträglichen Schmerzen leiden müssen. Einerseits gilt es dann, die Autonomie des Einzelnen und seine Entscheidung zu respektieren, andererseits auch die Fürsorgepflicht für den anderen wahrzunehmen. Ich glaube, es kann deshalb keine generelle Bestimmung von Ausnahmefällen geben. Es muss in Absprache mit dem Patienten, den Angehörigen und den Ärzten immer ganz individuell und auf den jeweiligen Einzelfall betrachtet entschieden werden, was sinnvoll ist. Hier können unsere Seelsorgerinnen und Seelsorger in Krankenhäusern und Hospizen eine wichtige Rolle in der Begleitung spielen. Was auf jeden Fall nicht passieren darf, ist ein ethischer Erdrutsch, bei dem aktive Sterbehilfe zu einer scheinbar einfachen Lösung für einen menschlich, medizinisch und ethisch hochkomplizierten Zusammenhang wird. Das wird dem Leben und auch dem Sterben nicht gerecht. Wichtig ist mir, im Blick zu behalten, dass das Leben ein unverfügbares Geschenk Gottes ist, das auch wie ein wertvolles Geschenk behandelt werden sollte – bis zum Schluss.

Nikolaus Schneider hat sich explizit gegen jede Form von Sterbehilfe ausgesprochen, auch in der Schweiz. Jetzt sagt er, dass er seine Frau unterstützen würde, wenn sie Sterbehilfe in der Schweiz beanspruchen wollte, auch wenn es ja eigentlich gegen seine Überzeugung sei. Wie bewerten Sie diesen Gesinnungswechsel?

Scherf: Ich habe große Hochachtung vor den Interviews, die er gegeben hat. Es ist zu 100 Prozent authentisch Nikolaus Schneider, der sich als Mensch und Theologe zeigt. Für mich ist das kein Gesinnungswechsel, weil er bei seiner prinzipiellen Ablehnung der aktiven Sterbehilfe bleibt. Die Interviews zeigen für mich exemplarisch die schwierige Suche nach einem richtigen Weg bei diesem Thema. Es ist ein heftiges Ringen – genau darum geht es. Und es ist gut, dass sich dabei zeigt: Wenn es um Leben und Tod geht, gibt es keine einfachen Antworten. 

Ich zitiere: „ Soso, andere sollen weiter leiden, für die eigene Familie geht man gern den Sonderweg, die Liebe ist entscheidend. Sie trinken heimlich Wein und predigten öffentlich Wasser“, schreibt ein Kommentator bei zeit-online.de. Was würden Sie dem entgegnen?

Scherf: Von heimlich kann ja nun wirklich nicht die Rede sein, wenn er das in großen Interviews äußert. Wir brauchen eine Debatte über das Leben, das Sterben und den Tod. Dazu geben Nikolaus Schneider und seine Frau einen wichtigen Anstoß. Schneider hat gezeigt: Ein hochrangiger Kirchenvertreter kann Orientierung geben, aber keine fertige Lösung, die für jede Situation passgenau ist. Er hat gezeigt: Jede und jeder muss selbst nachdenken und seine Entscheidung verantworten. Das ist gut protestantisch.

Nikolaus Schneider würde seine Frau zur Sterbehilfe begleiten

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Protestanten sind gegen Sterbehilfe

Passive Sterbehilfe

Bei der passiven Sterbehilfe verzichtet der behandelnde Arzt auf lebensverlängernde Maßnahmen, weil sie nicht gewünscht oder medizinisch nicht indiziert sind. Auch das aktive Entfernen einer bereits gelegten Magensonde gehört zur passiven Sterbehilfe. Bei der passiven Sterbehilfe ist die eigentliche Todesursache also die Krankheit des Sterbenden. Der Ethikrat plädiert dafür, die passive Sterbehilfe in „Sterbenlassen“ umzubenennen. Passive Sterbehilfe ist in Deutschland nicht strafbar.

Indirekte (aktive) Sterbehilfe

Indirekte Sterbehilfe liegt vor, wenn ein Arzt in der medizinischen Versorgung Todkranker den Tod als mögliche Nebenfolge billigend in Kauf nimmt. Das Ziel der medizinischen Versorgung ist hierbei eine Verringerung des Leidens Sterbenskranker, nicht der Tod an sich. Der Tod steht als mögliche Nebenwirkung der Leidensminderung. Die indirekte Sterbehilfe ist in Deutschland zulässig.

Direkte aktive Sterbehilfe

Im Gegensatz zur indirekten Sterbehilfe soll die direkte aktive Sterbehilfe den Tod herbeiführen. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Altenpfleger einem Altenheimbewohner tödliche Medikamente spritzt. Selbst wenn die getötete Person dies gewünscht hat, ist die aktive Sterbehilfe strafbar. Juristisch gilt eine solche Handlung je nach Motiv und Hintergrund als Tötung auf Verlangen, Totschlag oder Mord und führt zu Haftstrafen zwischen sechs Monaten und lebenslang.

Suizid

Die Selbsttötung ist in Deutschland straffrei.

Beihilfe zum Suizid

Da die Selbsttötung in Deutschland derzeit nicht strafbar ist, wird auch die Beihilfe zum Suizid nicht bestraft. Die Abgrenzung zur strafbaren Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) ist hier jedoch unklar. Auch andere Straftatbestände wie Totschlag (§ 212 StGB) oder unterlassene Hilfeleistung (§323c StGB) könnten zutreffen.

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Das heißt für mich -
frei und befreit von allem,
was ich aus Angst und Ärger tief
in mir vergraben habe.

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