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Gottes Name: vieldeutig, poetisch – und umstritten

Bildquelle: Fundus, Hans-Georg VorndranGottDer heilige Name Gottes "JHWH" in der Barfüßerkirche in Augsburg

Immer wieder flammen Diskussion um die Bezeichnung „Herr“ für Gott auf. Tatsächlich kennt die Bibel nur einen Namen Gottes, aber viele Zuschreibungen für Gott. Eine Wissenschaftlerin, eine feministische Pfarrerin und ein Vikar bereichern die Diskussion mit ihren Erkenntnissen aus der Auseinandersetzung mit biblischen Texten und ihren Glaubenserfahrungen.

Wer ist Gott? Umfassend kann das niemand beantworten, aber Gedanken dazu haben sich viele gemacht. Einige berichten davon, dass sie Gott in der Natur erlebt haben oder in der Musik. Die Theologieprofessorin und Bibelwissenschaftlerin Dr. Ute E. Eisen plädiert dafür, wahrzunehmen, dass die Bibel vielfältige Gotteserfahrungen reflektiert und eine Fülle von unterschiedlichen Vorstellungen von Gott bietet. Die Bibel ist viel weniger eindeutig und einlinig als oftmals angenommen. Die Wissenschaftlerin erklärt: „Die prophetische Aufgabe aller Glaubenden besteht darin, Gotteserfahrungen in die Sprache ihrer jeweiligen Gegenwart zu übersetzen. Die Bibel bietet dafür eine geeignete Voraussetzung in Anknüpfung, etwa an die Barmherzigkeit und Liebe Gottes, aber auch in Abgrenzung, etwa an Vorstellungen Gottes als `Kriegsherr´“. Ute E. Eisen forscht und lehrt am Institut für Evangelische Theologie der Justus-Liebig-Universität Gießen. Auch Pfarrerin Ute Knie hat sich jahrzehntelang mit dem Wesen Gottes, seinen Zuschreibungen und Bezeichnungen auseinandergesetzt, heute ist sie im Ruhestand. Durch sein Theologiestudium und die Gemeindepraxis ist auch Pfarrer Kristian Goletz diesem Thema immer wieder begegnet. Sei Vikariat hat er in der EKHN absolviert, jetzt ist er als Pastor für die Nordkirche tätig.

Gottes heiliger Name

Wie können wir uns Gott anhand der biblischen Überlieferung vorstellen? Zunächst wird Gottes Name mit dem Tetragramm eingeführt, das heißt den vier hebräischen Konsonanten JHWH (2. Mose 3,14). Rund 6.800mal wird dieser Eigenname Gottes in den biblischen Texten laut Theologieprofessorin Eisen verwendet. Die Wissenschaftlerin buchstabiert Gottes Namen, also die vier Konsonanten, aber sie spricht ihn nicht zusammenhängend aus. Sie erklärt: „Dieser Name wird im Alten Testament immer wieder genannt. Da im ursprünglichen hebräischen Tetragramm die Vokalisierung fehlt, wissen wir bis heute nicht genau, wie der Name ursprünglich artikuliert wurde. Jüdinnen und Juden sprechen den Namen aus Respekt vor seiner Heiligkeit nicht aus. Und aus Respekt auch vor dem jüdischen Glauben halte ich es ebenso.“ Im Deutschen spricht sie meist von „Gott“. Pfarrerin Ute Knie fühlt sich von dem Gottesnamen JHWH sehr berührt. Sie sagt: „Entscheidend ist, dass der Gottesname heilig ist und dass wir uns von Gott kein Bild machen dürfen.“ (2.Mose 20,4)  Denn auch Jesus betet: „Geheiligt werde dein Name.“

Gottes Beziehungszusage 

Welche Bedeutung mit JHWH verbunden ist, erklärt laut biblischer Überlieferung Gott selbst gegenüber Mose: „Ich-bin-da“, so übersetzt die Bibel in gerechter Sprache das Tetragramm (2. Mose 3,14).  Wissenschaftlerin Eisen weist darauf hin, dass eine geschlechtsneutrale Übersetzung dem Ausgangstext am angemessensten sei. Sie erklärt: „Gott beschreibt sich mit diesen Worten, als Mose beauftragt wird, das unterdrückte Volk der Israelit:innen aus der Versklavung zu befreien. Damit sichert Gott den verzweifelten Menschen zu, für sie da zu sein, mit ihnen in Beziehung zu sein.“ In der biblischen Exodusgeschichte werde dann erzählt, dass Gott das Versprechen einer verlässlichen Beziehung auch in schwierigen Momenten einhält (2. Mose 16). Pfarrerin Ute Knie erinnert in diesem Zusammenhang an die Aussage der amerikanischen Theologin Carter Heyward „Gott ist Beziehung“ – basierend auf den Gedanken Martin Bubers. Der jüdische Philosoph Buber hatte die unmittelbare Beziehung zu Gott als ein Verhältnis von „Ich und Du“ beschrieben. Die evangelische Pfarrerin Ute Knie vertraut darauf: „Gott geschieht in Beziehung zu uns. Und Gott schweigt, wenn keine Beziehung gesucht wird.“ 

Eigenschaften Gottes: gnädig, barmherzig, treu, tröstend und liebend

Ute Knie weist darauf hin, dass die Verfasser:innen der Bibel auch Gott anhand von Eigenschaften beschrieben haben. Besonders treffend ist die von dem Alttestamentler Hermann Spieckermann so genannte genannte Gnadenformel: Siebenmal findet sich im Alten Testament die Formel, dass Gott „barmherzig und gnädig, geduldig und reich an Liebe und Treue“ ist (2. Mose 34,6; Ps 103,8 u.ö.). Diese zentralen Eigenschaften Gottes werden in den biblischen Erzählungen zudem vielfältig narrativ entfaltet. Mit mütterlichen Eigenschaften wird Gott im Jesajabuch beschrieben: „Ich werde euch trösten, wie eine Mutter tröstet“ (Jesaja 66,13). Und im Neuen Testament heißt es im ersten Johannesbrief: „Gott ist Liebe“ (1 Joh 4,16). 

Einseitigkeit vermeiden

Der junge Pfarrer Kristian Goletz geht davon aus, dass diese Eigenschaften Gott niemals vollständig beschreiben. Das sieht auch Ute Knie so: „Gott ist keine Person, Gott ist kein Mann. Gott ist allumfassend, Ursprung des Lebens, Zuflucht und Geborgenheit.“ Die evangelische Theologin und der Theologe gehen allerdings unterschiedlich mit dieser Erkenntnis um: Pfarrer Goletz verwendet vor allem den offenen Begriff „Gott“ im Gemeinde-Alltag, während Pfarrerin Knie die Vielfalt der unterschiedlichen Gottesbezeichnungen ausdrücken möchte. Alle drei sind sich einig darin, dass es der Bibel nicht gerecht werde, Gott durch die dominante Übertragung mit „Herr“ auf Aspekte von Herrschaft, Hierarchie und Männlichkeit zu verkürzen. Stattdessen gelte es, die Vielfalt biblischer Bilder Gottes zu entdecken, die sehr viel stärker durch Mitleid, Vergebung, Geduld, Liebe und Treue geprägt sind.

HERR – eine umstrittene Bezeichnung für Gott

In vielen Übersetzungen der Bibel begegnet aber vor allem das Wort „HERR“ als Bezeichnung für Gott. Die Bibelwissenschaftlerin Eisen erklärt, dass schon die Septuaginta, das heißt die ersten griechischen Übersetzungen des Alten Testaments ab dem 3. Jahrhundert v.u.Z. das hebräische Tetragramm mit dem griechischen Wort „Kyrios“ übertragen haben. Das bedeutet ins Deutsche übersetzt „Herr“. Martin Luther ist der Septuaginta gefolgt und hat den Gottesnamen JHWH durchgehend mit „HERR“ übertragen. Durch die Großschreibung von „HERR“ markierte Luther, dass hiermit der Gottesname übertragen werde und somit allein Gott gemeint sei und kein weltlicher „Herr“. Diese Verfahrensweise Luthers hat in der Tradition der deutschen Bibelübersetzungen Schule gemacht, ohne die Nachteile dieser Übertragung zu bedenken, wie etwa das Problem der „Männlichkeit“. Die so genannte BasisBibel, die 2021 in der Übersetzung beider Testamente erschienen ist, folgt noch immer der Luthertradition. Damit berücksichtigt sie nicht, dass diese Übertragung längst umstritten und problematisch ist. So warf dagegen die Ausstellung „G*tt w/m/d“ des Bibelhaus-Erlebnismuseums in Frankfurt am Main 2021 die Frage nach dem Geschlecht Gottes auf. Auch Ute E. Eisen erklärt, dass sich durch die Übertragung mit „Herr“ über die Jahrtausende in den Köpfen ein stark männlich geprägtes Gottesbild geformt habe. Deshalb kritisiert die Theologin: „Der ursprünglich  offene Gottesname ‚Ich-bin-da‘ wird damit in seiner Mehrdeutigkeit und Komplexität stark reduziert.“ 

Mann mit Bart auf Wolke?

Ein Beispiel für ein männlich geprägtes Gottesbild ist das Klischee des „Mannes mit langem Bart auf der Wolke“. Vikar Kristian Goletz empfiehlt dennoch, in Gesprächen auch dieses Gottesbild ernst zu nehmen, das auch von Gemälden alter Meister oder von Vorstellungen aus der Kindheit gespeist werde. „Dann ermutige ich, ein eigenes Gottesbild zu entwickeln. Um den Blick zu weiten, können auch Geschichten in der Bibel angeschaut werden.“ Das praktiziert der evangelische Theologe im Konfirmierenden-Unterricht und erlebt dort, dass Jugendliche dann Bezeichnungen für Gott finden wie „Universum“ oder „Sonne“.

Mit vielfältigen Begriffen das Gottesbild weiten

„Auch die Bibel enthält einen Schatz vielfältiger Gottesbeschreibungen“, betont die evangelische Theologin Ute Knie. Der Begriff „Herr“ verstecke dagegen die Fülle der Wesenszüge Gottes und der Gottespoesie. So erscheine Gott in der Bibel als leises Wehen (1. Könige 19,12), lebendige Quelle (Jeremia 2,13) oder als Henne (Matthäus 23,37). Laut Ute E. Eisen weist zudem bereits die erste biblische Schöpfungserzählung darauf hin, dass Gott nicht nur männlich gedacht werde. Darin heißt es nach der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache: „Da schuf Gott Adam, die Menschen, als göttliches Bild, als Bild Gottes wurden sie geschaffen, männlich und weiblich hat er, hat sie, hat Gott sie geschaffen.“ Im hebräischen Ausgangstext steht „männlich und weiblich“ und nicht „Mann und Frau“, wie fälschlich in vielen Bibelübersetzungen bis heute. Ebenbildlichkeit Gottes ist folglich durch „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“ repräsentiert. Aber hier gilt ebenso: „Wenn wir Bilder für Gott benutzen, müssen wir uns klarmachen, dass wir damit Gott nicht in Gänze darstellen“, betont Kristian Goletz. 

Auswirkungen auf den Status der Geschlechter

Die Bibelwissenschaftlerin Ute E. Eisen macht deutlich, dass sich die häufige Verwendung von „HERR“ in Texten und Gottesdiensten auch verhängnisvoll auf den gesellschaftlichen Stellenwert von Frauen und Männern ausgewirkt habe: „Dadurch wurde Männlichkeit in einen engen Zusammenhang mit Gott gebracht. Das hat dazu geführt, dass das Männliche überhöht wurde. Auch dadurch hat sich in christlich geprägten Gesellschaften eine von Männlichkeit dominiertes Welt- und Gesellschaftsbild verfestigt.“  

Die Sprache für Gott weiten

Heute setzen sich viele dafür ein, dass die Gleichberechtigung von allen Menschen, seien Sie männlich, weiblich oder divers, gelebt und sprachlich umgesetzt wird. Deshalb hat beispielsweise das wissenschaftliche Übersetzungsprojekt „Bibel in gerechter Sprache“ den Gottesnamen mit unterschiedlichen Ersatzlesungen versehen, u.a. auch mit „Er“ und „Sie“ oder „der/die Ewige“. Der junge Pfarrer Goletz erklärt, dass auch die Evangelisch-Lutherische Kirche in Schweden auf die Überlegungen zum Gottesverständnis in ihrem neuen Gottesdienstbuch reagiert habe. Darin wurde den klassischen Voten eine weitere beigeordnet mit der genderneutralen Formulierung: „Im Namen des dreieinigen Gottes“. Diese Variante verzichtet auf eine rein maskuline Benennung Gottes wie „Vater“. Anlass für die Änderung war, dass es viele Menschen in Schweden gebe, die ihr Gottesbild in einer rein männlichen Benennung Gottes nicht wiederfinden.

Auch der „Liturgische Wegweiser“ des Zentrums Verkündigung der EKHN macht deutlich: „Gott ist nicht männlich und nicht weiblich.“ Deshalb wird für Gebete empfohlen, die Vielfalt biblischer Gottesbilder abzubilden. In der Gottesanrede können alternierend mal männliche und mal weibliche Anreden verwendet werden, so wie es auch die Bibel in gerechter Sprache vorgemacht hat, – ohne einen Genus einseitig zu verfestigen. Beispiele seien: „Ewige*r, Lebendige*r, Schöpfer*in“. 

Professorin Eisen plädiert dafür, kreativ mit der Sprache des Glaubens umzugehen: „Das haben schon die alten Prophet:innen gemacht, indem sie eine alte Botschaft in eine neue Situation übertragen haben.“ 

[Rita Haering, Stand: August 2021]

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Gut:
Das heißt für mich -
frei und befreit von allem,
was ich aus Angst und Ärger tief
in mir vergraben habe.

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